Platonakademie(147) zum Ethikstreit: Das Sagen der Bronzezeitler / Glaubensterror und schlaue Energiewende / Internationale Energie Agentur (IEA): Unheimliche Klimaprognose / Kl.- Stilkorr. am 4.9.2013

Platon-Akademie, 3. August 2013

Noch heute orientieren sich Regierungen am Weltbild der Bronze- und frühen Eisenzeit (PM(146)). Seine große Idee, der Monotheismus, war der stark vermehrten Menschheit v. a. als Welt-Ethos zugedacht. Aber er verursachte später Zweifel und mit jedem Zweifel Glaubensterror. Denn ein anspruchsvolles Wertesystem funktioniert nur, wenn es alle Menschen einen kann. Gebaut auf nur geringes Wissen um die Komplexität der Wirklichkeit (PM(55)), konnte der Monotheismus nicht das werden, was er wollte, nämlich Wissenschaft vom Menschen und seiner Welt. Er lieferte ein Ethos, dem sich die angeborenen Bedürfnisse des Menschen nicht ausreichend unterordnen wollten. Der Mensch ist kein Massenwesen (über die Gründe s. in PM(18)).

So kommt Religion nicht ohne Gewalt aus. Die offenen Fragen spalteten zuerst das Judentum in Islam und Christentum. Jeder behauptete von sich, ganz allein die richtige Version zu kennen und bekämpfte spinnefeind den anderen. Abermalige Korrekturversuche entzweiten dann das Christentum in sich, durch dessen Rückwärtsschritt in Richtung Polytheismus der religiöse Disput besonders populär geworden war. Es entstanden eine West- und eine Ostkirche. Die Westkirche selbst zerfiel wieder in eine katholische und eine evangelische Variante, ähnlich etwa wie der Islam in Sunniten und Schiiten. Wegen dieser Brüche büßte sie viel Überzeugungskraft ein. Das ließ weitere Kritik zu. Mittlerweile besteht das Christentum weltweit aus etwa 45 000 Sekten.

Der ethische Misserfolg und die Neigung der Menschheit zur Rationalität (die sich ja in der Religion ausdrückt) machten die Verehrer des Monotheismus wütend. Schließlich überzog dieser im dritten Jahrtausend seines Daseins Europa mit einem die Menschenwürde total missachtenden Glaubenskrieg. Erst wütete er im bürgerlichen Milieu von Haus zu Haus, geleitet von der Inquisition, und erweiterte sich 1618 zu einem Krieg der Nationen, bis man nach dreißig Jahren erfolglosem Mord und Totschlag die Nase voll hatte. Der Dreißigjährige Krieg ist bis heute ein peinlich verhülltes Schandmal der bronzezeitlichen Religion. Hinter dieser Kulisse aber schritt das Ansehen der Wissenschaft vorwärts, die sog. Aufklärung, beschleunigt durch die offensichtlichen Schwächen der konventionellen Theologie.

Die Willkür archaischer Weltmodelle hatten bereits im alten Griechenland philosophische Korrekturvorschläge angeregt. Sie waren mit wenigen Ausnahmen freigeistig geblieben. In der Scholastik später belebte sich das Suchen nach sicherem Wissen abermals, weil man sich zwei Wahrheiten gegenüber sah, einer theologischen und einer philosophischen. Die Überzeugungskraft der philosophischen Thesen übertraf freilich kaum die der theologischen. Erst ungefähr seit Kopernikus geht eine Spekulation nach der anderen in dem auf, was eigentlich immer gesucht war: einem dauerhaft sich stabilisierenden Wissen von der Welt, gestützt auf Fakten. Die Menschheit bekommt immer mehr das Gefühl, der Theologie fehle zwar nicht der Wille, aber die Grundlage.

Heute geht das religiöse Erbe erneut in Flammen auf. Der moderne Bronzezeitler sucht nichts so sehr zu verachten wie „Vernunft und Wissenschaft“ (um Goethes Hinweis im „Faust“ zu zitieren). Es sind zwei Flammenherde: Im Osten entzündet sich die Wut an anderen Dingen als im Westen. Im Osten, der 800 Jahre nachhinkt, verursachen kleine Glaubensdifferenzen religiösen Sprengstoffterror. Das entspricht dem christlichen Scheiterhaufen-Terror. Im Westen dagegen öffnet sich im 20. Jahrhundert die viel breitere, ebenfalls ethisch bedingte Kluft zwischen Ökonomie und Ökologie. Sie macht die tiefe Magmaschicht menschlichen Selbstverständnisses sichtbar und wird mit den Parolen „Biologismus“, „Ökodiktatur“ und „Ökonomie ist mit Ökologie vereinbar“ vergeblich zugeschüttet. Wirtschaft und Ökologie wären tatsächlich notdürftig vereinbar, wenn nicht der biblische Fundamentalismus (der Anthropozentrismus mit seinem „vermehret euch und macht euch die Erde untertan“) mit dem modernen hohen Denkanspruch kollidierte. Die Weltwirtschat braucht Motive und fürchtet den Untergang dieses Motivs. Denn sie will das traditionell geehrte Ethos der alttestamentarischen Instanz eines Gottes (PM(146)) nicht durch die traditionell billigste Werte-Instanz „Biosphäre“ ersetzt wissen, die Natur, die seit je ganz zum Nutzen der Menschheit dazusein hatte und über den Nutzen hinaus nur teuflisches Ungeziefer enthielt, das man ausrotten musste: Käfer, Mäuse, Bären, Tiger.

Die Bronzezeitler in der Weltwirtschaft sind von der technologischen Macht berauscht, die der mythische Gott durch die Beatmung des Adam angekurbelt hat, und verprassen die Grundlagen der Zukunft, indem sie rasend die Urwälder des Planeten niederbrennen und nicht einmal seine Atmosphäre verschonen (Details zum Privilegienglauben in PM(52)). Zweck des Raubbaus auf Land und Meer: unbegrenztes Wachstum. Harald Welzer, der vielleicht bekannteste deutsche Sozialpsychologe, spricht von „Wachstumspolitik ohne Bodenhaftung, die nur drei Ziele kennt: Wachstum, Wachstum, Wachstum. Das wird uns eines Tages das Kreuz brechen.“ *) Leider schützt nämlich der Wissensfortschritt den Planeten nicht schnell genug vor den anthropozentrischen Emotionen: Das Welt-Ethos mit der Wurzel in der Biosphäre und inneren Biologie des Menschen lässt sich schwerer vermitteln als ein mühelos-mystisches, das Logik überflüssig macht.

Das vorgeschichtliche Weltbild ist das Lexikon für internationale Parlamente und Regierungen. In Europa ist Brüssel sein Hauptsitz. Von dort wird unter Vertuschung der Ökologie Wachstumspolitik betrieben. Da wir horrend übervölkert sind, kann zwar nicht einmal mehr ohne weiteres auf tödliches Wachstum verzichtet werden; wohl aber auf seine mythischen Ideale, die da heißen Unkrautverteufelung und Tierverachtung. Sie leisten harten Widerstand. Widerstand leistet auch die konservative Politik, indem sie zum guten Schein sichtbar das Ideal einer Energiewende hochhält, für die sie insgeheim eine Wende um 360 Grad vorgesehen hat. Das Desertec-Programm konnte sie so schon mal bremsen. Ob langfristig, ist jedoch die Frage. Die Internationale Energie-Agentur IEA, die 28 Großstaaten berät, verlangt nämlich nicht mehr einfach nur eine sanfte Abkehr von den konventionellen Energien, sondern eine radikale**). Die IEA warnt wohlbegründet vor einem Anstieg der Temperatur in diesem Jahrhundert um 5 Grad! Er besiegelt das Ende der ganzen Menschheit. Nur, die konservative Wirtschaft juckt das überhaupt nicht. Auch auf neue Dollar-Scheine lässt sie wieder drucken: „In God we Trust“. Sie will Geld sehen, nicht etwa für höhere Zwecke, sondern für ihre Konten. Jetzt. Nicht irgendwann.
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*) SZ Magazin 16.12.2011
**) SZ vom 11.6.2013 (Wirtschaft / „Gradwanderung“)

Portrait der Platonakademie
Die 1995 erneuerte Platon-Akademie (PA) versteht sich als Fortsetzung und Abschluss der antiken. Sie versucht, im naturwissenschaftlich widerspruchsfreien Konsens die richtige Antwort auf die von Platon gestellten Fragen nach der Herkunft der Naturgesetze und nach der besten Gesellschaftsform zu finden. Sie strebt keinen juristischen Status an (Verein etc.). Die PA wurde 529 von der Kirche wegen weltanschaulicher Konkurrenz geschlossen.
Leitung: Anton Franz Rüdiger Brück, geb. 1938, Staatsangehörigkeit Deutsch. Humanistisches Gymnasium. Hochschulstudien: Physik, Mathematik, Philosophie, Pädagogik. Ausgeübter Beruf: Bis 2000 Lehrer im Staatsdienst. Mail: platonakademie(at)aol.de


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