Platon-Akademie
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Zur Pressemappe„Wo bin ich?“ heißt ein SZ-Artikel vom 14.12.13. Zitat daraus: „Der Psychologe Tobias Meilinger vom Tübinger Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik ist Experte für die Gehirne umherirrender Menschen. Doch er muss passen, soll er den verkümmerten Orientierungssinn mancher Menschen erklären.“ (Autorin Katrin Blawat).
Es geht dabei speziell um Orientierungslosigkeit im primären Sinne: um die Verirrung in der Landschaft. Dieser Verlust ist aber doch ein Musterbeispiel für den Verfall menschlicher, angeborener Instinkte. Obwohl spätestens seit Konrad Lorenz aus biologischer Sicht geläufig, wird die wissenschaftliche Spur von Instinkten nicht gern zentral in die Forschung eingebaut (vgl. F.M. Wuketits, WAS IST SOZIOBIOLOGIE, Beck 2002)*). Nach bewährten bronzezeitlichen Vorstellungen soll der Mensch immerhin nichts mit Abstammung und Genen von tierischen Vorfahren zu tun haben. Nicht die geistlose Natur macht hiernach die Lehrpläne für die Menschheit, sondern der Mensch selbst. Und weil der Orientierungssinn etwas Angeborenes ist, verliert man ganz automatisch seine Spur: Sie führt nach innen, vom Großhirn ins Stammhirn.
Ein Beispiel mag erläutern, wie untergründig ererbtes Verhalten in unserer Vorstellungswelt arbeitet. Wer etwa soll in den Lehrplan des Homo Sapiens geschrieben haben, dass blauer Himmel an einem sommerlichen Seeufer erholsamer ist als Regensturm, Eis und Nebelwetter?
Kaum ist Urlaubszeit, bilden sich auf Autobahnen zermürbende Staus in Richtung Süd, nicht in Richtung Nord. Sogar der Grieche nennt den Sommer Kalokä´ri, gute Zeit, mag es am Tag auch 40° heiß werden. Die Zeitungsschlagzeile verkündet dann zwar „I sesti mas skotóni“ („Die Hitze bringt uns um“). Macht nichts. Diese Zeit heißt trotzdem Kalokäri: kalós war früher das Wort für „schön“. Aber sicher würden wir mit „Kalokäri“ den Winter benennen, wenn wir Nachkommen von Walrössern wären, und würden es dann in unseren Breiten kaum erwarten können, wieder Freizeit zu bekommen für das Schwimmen zwischen Eisschollen: Die Staus gingen um 180° gewendet Richtung Nordpol.
Bei dem Vergleich dämmert uns, was wir zwar oft genug von Anthropologen hören, aber nicht als Realität wahrnehmen: dass wir seit Jahrhunderttausenden und Jahrmillionen schubweise aus dem Süden in den Norden gewandert sind, wohl hauptsächlich wegen der damals schon beginnenden Übervölkerung sensibler ökologischer Lebensräume. Unsere nächsten Verwandten, Schimpanse also, Gorilla und Orang Utan sind im Süden geblieben. Wir allein fielen aus dem ökologischen Rahmen. Wenn es die große Mehrheit von uns heute im Urlaub nach Süden zieht statt nach Norden, so liegt das als unvergessene Bindung an die Urheimat Afrika nahe. Dieses Orientierungsmotiv**) ist auffallend ähnlich fest in uns verankert wie der Gebirgszug der Alpen in Europa. Dessen Auftürmen geht ebenfalls seit Millionen Jahren von Afrika aus. Selbst das Verkümmern unserer Anlagen, wie eben des Orientierungsvorgangs, ist damit vergleichbar. Auch die Alpen werden abgetragen, sobald sie nicht ständig nachwachsen (d.h. sobald sie als geophysikalischer Stoßdämpfer „nicht mehr gebraucht“ werden).
Das Wissen, dass genau wie der Mensch so auch Schwalben, Lachse, Aale sich stark an ihre Urheimat gebunden fühlen, sollte die Forschung zugrundelegen. (Katrin Blawat weist darauf hin.) Das „Wo bin ich?“ kennzeichnet nicht nur vordergründig den einzelnen Menschen mit dem Kompaß in der Hand, sondern umfassend den Wissenschaftsbereich Humanpsychologie. Bis hin zu Irrtümern über die angeborenen Rollen von Mann und Frau (PM(131)) ist diese Frage aktuell. Das ganze moralische Missverstehen der menschlichen Sexualität ist in der Frage „Wo bin ich?“ vertreten.
Tiefste Ursache des weltweiten Staunens über menschliches Verhalten ist natürlich die mangelhafte Beachtung der Komplexität, die unsere psychische Natur untrennbar mit der physischen verschmelzt und dann beide weiter mit der Biosphäre vernetzt. In der Frage „Wo bin ich“? äußert sich das Geständnis, im Kreuzfeuer zwischen der Natur der Termiten und der Natur eines Kleingruppenwesens zu stehen (hierüber PM(18) und (63)).
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*) Ferner Standardwerke wie
K. Lorenz, DAS SOGENANNTE BÖSE (1963),
I. Eibl-Eibesfeldt, DIE BIOLOGIE DES MENSCHLICHEN VERHALTENS (1984).
**) Der begriff Motiv ist nützlicher als der Begriff Instinkt, da dem Instinkt immer noch die falsche Vorstellung von etwas notwendigerweise Starrem anhaftet. Nach dem „Komplex störungsmotivierten multiplen Ausgleichsprozess“ beurteilt können Instinkte höchst flexibel werden, wo immer das Sinn hat (PM(68)).
Portrait der Platonakademie
Die 1995 erneuerte Platon-Akademie (PA) versteht sich als Fortsetzung und Abschluss der antiken. Sie versucht, im naturwissenschaftlich widerspruchsfreien Konsens die richtige Antwort auf die von Platon gestellten Fragen nach der Herkunft der Naturgesetze und nach der besten Gesellschaftsform zu finden. Sie strebt keinen juristischen Status an (Verein etc.). Die PA wurde 529 von der Kirche wegen weltanschaulicher Konkurrenz verboten.
Leitung: Anton Franz Rüdiger Brück, geb. 1938, Staatsangehörigkeit Deutsch. Humanistisches Gymnasium. Hochschulstudien: Physik, Mathematik, Philosophie, Pädagogik. Ausgeübter Beruf: Bis 2000 Lehrer im Staatsdienst. Mail: platonakademie(at)aol.de