Platonakademie(262). Teil II / Die Theorie der fortschreitenden Zeit korrigiert das Nirvana

Platon-Akademie, 18. August 2020

Zuletzt konzentrierte sich die Überlegung auf die uralte Frage, was das Wesen des Ichs ist, das beim Tod in ein identisches Paralleluniversum wechselt. (Für dessen Verursachung sind die Beweise u.a. in PM(243) und PM(261) nachzulesen). Die Alten Veden ahnten den Vorgang und nannten die ihnen unbekannten hierarchisch geordneten Universen (s. PM(243)) Nirvana.

Dass das dort hingelangende Ich wirklich wieder mein Ich ist, ist keine philosophische (verbale) Denkweise, sondern folgt aus der TFZ. Darüber besonders PM(260) Abs. 8. Dort wird erklärt, warum die Entfernung R eines Paralleluniversums aus mathematischem Grund nur vorgestellt sein kann. R(=cT; c=1) ist in Wirklichkeit meine Gegenwart T, die nur einen andern Namen hat. Entfernung ist in Wahrheit T-T=0. Jedes Paralleluniversum ist deshalb REALITÄT IN MIR.

Diese Logik kann auch auf anschauliche Weise schön bestätigt werden. Wenn wir nämlich beliebig viele Zahlen 1 - viele „Einsen“ - als gleiche Kreise zeichnen, sehen wir sie räumlich verteilt. Bringen wir sie alle zur Deckung, indem wir jeden Kreis auf eine Klarsichtfolie zeichnen und die Folien aufeinander legen, dann sind beliebig viele Einsen nur noch eine einzige. Das Gesetz der identischen Eins gilt für das identische Ich: Bis aufs einzelne Molekül identische Paralleluniversen sind deckungsgleich, was bedeutet, mein Ich deckt sich mit dem im Paralleluniversum. (Weil ich Universen nur an extrem wenigen Einzelheiten als miteinander identisch erkennen kann, ist „Deckungsgleichheit“ selbstverständlich großzügig gemeint, doch gehen wir darauf hier nicht ein.)

Was ist nun aber das innere Wesen des Ichs? Was wir bisher festgestellt haben, ist nur sein Verhalten. Hier scheiterte der klassische Buddhismus an der biologischen Wirklichkeit, die er nicht kannte. Wir verfügen dagegen heute über die endgültige Argumentation, nicht nur weil wir die UO kennen, die absolute Ursache aller Wirklichkeit (PM(261) Abs. 4.); es unterstützt uns auch unser empirisch erlangtes Wissen.

Auch das innere Wesen des Ichs ist durch die UO verursacht. Der Buddhismus will nun glaubhaft machen, dass das Ich nur dann ins ewige Nirvana gelangen kann, wenn es „erlöst“ ist sowohl vom Leiden im Dasein als auch von der Lust am Dasein, vor allem von den Begierde, wie er die Daseinsfreuden nennt. Besonders intensiv verachtet der Buddhismus die Libido*), die Lust auf das Liebesspiel mit dem anderen Geschlecht, griechisch Erotik. Sie gilt ihm als höchste Barriere vor dem Nirvana. Ähnlich sieht das Christentum sie als Barriere gegen das Himmelreich. Erst i jüngster Zeit (1954) fand die westliche Wissenschaft heraus, wie willkürlich diese Hürden aufgebaut sind.

„Erlösung von der Lebensfreude“ ist eine Absurdität und muss ein buddhistisches Missverständnis sein. Es ist der Punkt, den die TFZ korrigiert. Der Doppelhelix DNS (das ist die molekulare Basis der Zweigeschlechtlichkeit, heute auch DNA genannt) verdanken die mehrzelligen Lebewesen seit Jahrmilliarden ihr Dasein. Sie ist es, die das Gefühl begründet, dass sexuelle Vereinigung Schönheit ist. Die von einem Paar freudig verwirklichte - oder im Spiel auch nur fantasierte - Übergabe des gemeinsamen Lebens an ein neues Kind ist höchstes Glück. Nicht Leid. Ohne erotische Freuden gäbe es in den unendlichen Ordnungen keinen Menschen.

Abgesehen von den Höhen der Freude lässt sich das Gefühl von Glück und Zufriedenheit am besten vergleichen mit innerer Ruhe, oder so gesagt: mit biologischem Gleichgewicht. Biologisches Gleichgewicht ist der Zustand der ungestörten biologischen Funktionen. Leid ist ihr Störung oder Zerstörung. Diese Funktionen im Organismus von Tieren und Pflanzen - und darüber hinaus im ökologischen Bereich - sind ungeheuer komplex. Verursacht ist ihre Harmonie durch die UO, allgemeiner gesagt: durch die Unendlichkeit.

Die Komplexität, ihre lebhafte Intaktheit (biologisches Gleichgewicht), ihre Verhaltensmotive, all das äußert sich in Varianten dessen, was man Intelligenz nennt, sowohl bei Tieren als auch bei Pflanzen. Bereits Würmer und Käfer verraten Intelligenz, wenn sie auf verschiedene Lebenslagen verschieden reagieren. Besonders Ameisen verhalten sich intelligent, wenn sie im Rahmen ihrer hoch entwickelten Sozialordnung (s. PM(18) und (63)) von den Nährstoffen des Planeten leben wollen (müssen). Ameisen können sich in ihrem Verhalten sehr vielfältig so oder so entscheiden. Intelligenz beginnt nicht erst, wenn der Mensch Religionen erfindet.

Schon auf unterster Ebene der Komplexität des Lebens verblüfft uns das Beispiel der Photosynthese. Wenn man sich überlegt, wie aus Kohlendioxid und Wasser, einfachsten Molekülen, mit Hilfe des Sonnenlichts(!) Zucker entsteht, ausgerechnet der Hauptnährstoff für die ganze Tierwelt, muss man anerkennen, dass die UO Quelle der Intelligenz sind.

Ein erstaunliches Beispiel beobachten wir bei Pflanzen, wenn auf soeben gerodeten Waldflächen plötzlich undurchdringliche Dornenhecken wuchern, in die niemand mehr eindringen kann. Unter dem Gestrüpp können jetzt unbehindert neue Bäume wachsen, Ahorne, Weiden, Birken, Eichen. Niemand wird sie während ihres empfindlichen Anfangsstadiums zertrampeln wollen.

So verursachen die UO nicht nur die mathematisch schlüssig überschaubaren physikalischen Gesetze der einfachen („toten“) Materie, sondern auch die nicht mehr formalisierbaren, weil unübersichtlichen komplexen Gesetze des Lebendigen. Das Einzige an der märchenhaft hoch entwickelten Komplexität, das man noch mathematisch erfassen kann, ist ihre Kennzahl K, die das Ausmaß der Komplexität beschreibt. Weil ich aus Z=10^12 (1000 Milliarden)Zellen bestehe, die alle im Einklang wechselwirken müssen, damit ich unversehrt lebe, kann ich zur Berechnung von K eine von Carl Friedrich Gauß aufgestellte Formel anwenden. Ihr zufolge (siehe PM(228)) brauchen meine Zellen nicht weniger als (Z^2)/2, also (10^24)/2 intakt zusammenspielende Wechselwirkungen. Dass sich bei einer so gigantischen Zahl von Wechselwirkungen („eine Million Milliarden Milliarden“) niemals alle auf eine plötzlich zufällig im Samenfaden mutierte einzelne Wechselwirkung umstellen können, sollte klar sein.

Wenn wir allein den K-Wert unserer Großhirnrinde betrachten, haben wir es mit einer Komplexität von 200 Milliarden Milliarden Wechselwirkungen zu tun!!

Wegen der Beanspruchung der molekularbiologischen Intelligenz verläuft die Evolution auffallend langsam. Die verschiedenen Gene der vielen Organe müssen sich auf einander abstimmen. Charles Darwin wusste nichts von Komplexität und führte die Evolution auf zufällige Mutationen unter den wenigen zählbaren Artunterschieden zurück. Da erschien Selektion durchaus hilfreich.

Der Tod des Ichs ist nun der Zusammenbruch dieser internen Wechselwirkungen im jetzigen Universum. Wie es im Paralleluniversum mit dem Ich weitergeht, bestimmen in besonderer Weise seine Verhaltensmotive, und zwar jene, die durch seine intakte Komplexität bestimmt waren. Als Grundmotive sind Hunger, Durst, Müdigkeit u. ä. die bekanntesten. Aufgrund von Erinnerungen, d.h. gespeicherten persönlichen Erlebnissen, entstehen Motive, die den einzelnen Menschen persönlich definieren. Sie werden höchst vielfältig miteinander kombiniert und ändern sich laufend. Bis zum identischen Wechsel in ein Paralleluniversum sind sie von jener Welt vorgegeben, an die sich das Individuum erinnert. Das ist v. a. seine bisherige Umgebung, also seine Wohnung, deren Möblierung, Bücherei, Treppen usw. Dazu gehören die Mitmenschen, Haustiere usw. Es gibt auch denselben Sternhimmel. All das bleibt wie es war. Es wird ganz selbstverständlich in die neue Welt „mitgenommen“, weil diese ja (man denke an die sich deckenden Kreise) Vorstellung des Ichs selbst ist. Das ernst zu nehmen, fällt uns nur deshalb schwer, weil wir einen Toten mit den Sinnen ausschließlich als Leiche wahrnehmen.

Die Motive sind in zwei Wertebereiche eingeteilt. Weil sie entweder glückbringende (werthaft „positive“) Motive oder Unglück bringende (werthaft „negative“) sind, gibt es eine Bruchstelle. Negativwertige haben eine sichtbare Schwäche, die die Buddhisten seltsamerweise nicht berücksichtigten: Negative Vergangenheit sieht nämlich immer rosiger aus als sie es wirklich war. Der Wirklichkeits-Kern jeder bösen Erinnerung wird verdrängt, vergessen, ja bekommt sogar oft einen positiven Anstrich. Die vertraute Wohnung besteht nur fort, soweit man sich erinnert, dass sie Freude machte. Unschönes an ihr - dass z.B. das Zimmer einmal unter Wasser stand - ist eher amüsant geworden. Nicht anders werden Mitmenschen bewertet. Nur der gute Eindruck von ihnen bleibt und geht in den identischen Wechsel ein.
Die Natur leistet sogar zugunsten eines glücklichen Wechsels hormonelle Hilfe, indem sie böse Erlebnisse mit Hilfe von Endorphinen kaltstellt: Sie produziert Glückshormone, so dass als letzte Motive des Lebens die positiven weit überwiegen. Wo sich trotz allem schlechte Erinnerungen durchsetzen, hat das Ich das Nirvana eben noch nicht erreicht.

Wir reden bisher allerdings nur vom Start ins Jenseits. Die dann beginnende Kausalität entscheidet nun, wie lange das Nirvana glücklich verläuft. Bedingungen, die die Kausalität positiv lenken, kann nur die Intelligenz herstellen. Das Wildtier lebt - intakte Komplexität aller Lebensbereiche vorausgesetzt - normalerweise schon auf dieser Erde im Nirvana. Sogar für Beutetiere gilt das, denen im unumkehrbaren letzten Augenblick ein Schock zu Hilfe kommt, der die Wirklichkeit ignorieren hilft. Man weiß noch nicht, ob Endorphine beteiligt sind. Die menschliche Intelligenz allerdings ist das Gipfelplateau der durch die Komplexität gegebenen Intelligenz des Lebendigen. Die Menschheit mit ihren störanfälligen Motiven wird, sofern sie lange genug auf dieser oder einer Parallelerde überlebt, gentechnologische Wege finden, um den Alltag weitgehend von körperlichem und seelischem Leid zu befreien. Schmerz, ob körperlich oder seelisch, lässt sich genetisch minimieren. Der Mensch wird sicher auch gentechnisch ein Immunsystem entwickeln, das jedem denkbaren Virus sofort Antikörper entgegensetzt. Auf die Forschungsinstitute warten dankbare Aufgaben.

Kommen wir zum Schluss. Obwohl kein Paralleluniversum unbegrenzte Lebenserwartung verspricht, weil Unfälle, Meteoriteneinschläge, Naturkatastrophen unvermeidlich sind, verdrängt die Komplexität unaufhörlich das Leid zugunsten von Lebensfreude. Nicht einmal die in PM(143) beschriebenen zerstörerischen Kompressionszeitpunkte T(n) der TFZ-Universen stürzen jene Universen, in die das Ich identisch wechselt, ins Unglück. Sobald nämlich Strömungskraft plus Gravitation anfangen, auf die Verwandlung aller Massen in Schwarze Löcher zuzusteuern (a.a.O.) - der T(26) liegt jetzt 10,29 Milliarden Jahre zurück - greift der identische Wechsel immer auf solche Paralleluniversen zu, die vom Kompressionszeitpunkt noch weit entfernt sind. Der nächste, T(27), erfolgt von heute aus gerechnet erst in 133,12 Milliarden Jahren.
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*) Der Buddha wurde eines Tages lt. Sage zur Enthaltsamkeit „erweckt“. John Stevens, Buddhismusgelehrter, schreibt: „In allen Schriften wird Buddha als die ganzen fünfundvierzig Jahre hindurch völlig unbeirrt von sexuellen Wünschen oder Gefühlen geschildert.“ (J. Stevens; LUST UND ERLEUCHTUNG - SEXUALITÄT IM BUDDHISMUS, Barth Verlag 1993, S. 30). S. 31: „Nach seiner Erweckung … waren seine Geschlechtsteile häufig verhüllt und stellten somit keinen Anstoß und keine Gefahr dar.“
Man muss in Rechnung stellen, dass der Buddha nicht 45, sondern 80 Jahre alt wurde. Das verweist auf das, was auch wir kennen: Ab 45 schwindet bei vielen Männern die Libido, besonders bei denen, die die hohen geistigen und seelischen Werte der Geschlechtlichkeit nicht kennen. Männer an die 50 von heute verstehen aus Mangel an sexuellen Wünschen nicht mehr, was Liebeserlebnisse überhaupt sollen. In der Menschheitsgeschichte war dieses Alter die Lebenserwartung. Das erklärt den Widerspruch am besten, warum vom Buddha eine höchst positive, dann aber doch höchst negative Einstellung zur Sexualität überliefert ist.
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Portrait der Platonakademie. Die von Anton Franz Rüdiger Brück erneuerte Platon-Akademie (PA) versteht sich als Fortsetzung und Abschluss der antiken. So wie diese 529 aus Autoritätsgründen von der Kirche verboten wurde, sieht sie sich berechtigt, ohne Mandat wieder zu arbeiten. Dies, zumal die transzendenten „Ideen“ Platons sich mithilfe von unendlichen Teilmengen unendlicher Universenmengen als mathematisch real erweisen (www.platonakademie.de HS IV, Gln. I und II). Sie versucht, im naturwissenschaftlich widerspruchsfreien Konsens Antwort zu finden auf die von griechischen Philosophen gestellten Fragen nach der Herkunft der Naturgesetze und nach der besten Gesellschaftsform (vgl. PM(239)). Vor allem ist sie als Internet-Akademie aktiv. Sie strebt keinen juristischen Status an (Verein etc.).
A. Fr. R. Brück, geb. 1938, ist Autor dieser Artikel. Staatsangehörigkeit Deutsch, Humanistisches Gymnasium. Hochschulstudien: Physik, Mathematik, Philosophie, Pädagogik. Ausgeübter Beruf: Bis 2000 Lehrer im Staatsdienst. Zuschriften bitte per Post an: s. Impressum in platonakademie.de


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