Platonakademie 273. Das Miterleben eines identischen Wechsels

Platon-Akademie, 7. November 2022

Wenn ich sagen könnte „ich existiere nicht“ oder „ich bin tot“, wäre das der Beweis, dass ich existiere. Folglich ist der Satz sinnlos. Die Nichtexistenz des Ichs ist, von ihm selbst aus gesehen, unmöglich. Die TFZ reicht aus, um zu zeigen: Das Ichbewusstsein setzt sich in Platons Ideenreich fort. Zugrunde liegt der mengentheoretische Nachweis der Unendlichen Ordnungen (UO, s. PM 270). Bezeichnend für die UO: Sie entsprechen dem Zahlensystem.

Man muss sich der schon besprochenen wichtigsten Tatsachen über das Ich bewusst bleiben. Dazu gehört seine seelische Verfassung im Jenseits: Jeder macht die Erfahrung, dass ihm die Vergangenheit erfreulicher erscheint als sie es wirklich war. Denn erfreuliche Erlebnisse speichert das Bewusstsein in der Regel ausführlicher als unangenehme. Unangenehme überliefert nur das rationale Bewusstsein, der Gedanke. Und diese Bevorzugung der Schönheit gestaltet dann die Wiedererkennung des Ichs im Paralleluniversum (s. PM 260 II). Erinnerungen werden dort erste Motive.

Außerdem muss man immer die in PM 260 erklärte fundamentale Rolle der Gegenwartsbedingung (GB) vor Augen haben: Räumliche Entfernungen sind rein vorgestellt*). Wir erwähnten schon: Immanuel Kant war mit dem Problem beschäftigt, ob der Raum vielleicht nur eine Vorstellung sein könnte. Die Entfernungen der Paralleluniversen sind deshalb für uns 0. Wenn ich sie als gleichgroße Kreise O symbolisiere, erklärt uns die „Grafik“
O + O + O + O . . . = O
die Bedeutung des Ichs: Die im Jetzt identischen Paralleluniversen meines Ichs müssen deckungsgleich sein. Jedes Foto, das wir machen, wird sofort zu einem Dokument vergangener Paralleluniversen - es zeigt eine Platonische Idee. Wir sterben, streng gesagt, in jedem unerwarteten Augenblick, allerdings ohne erwähnenswerten Übergang in eine neue Kausalität.

So phantastisch diese Logik auch klingt - anders geht es nicht. Das Weltbild kann nicht immer unlogisch bleiben.

Ich war dabei, als eine Ärztin meine Groenendael-Hündin Sera III im Alter von 12 Jahren wegen Erkrankung einschläfern musste, und erlebte das eben Gesagte. Seras Augen blieben bis zum Verschwinden des Bewusstseins auf mich gerichtet, dann verließ ihr Ich den unbrauchbar gewordenen Körper. Was die Ärztin an ihr machte, als sie die Kanülen setzte und die erste Spritze verabreichte, wusste sie nicht. Nur dass da „etwas“ gemacht wurde, war ihr klar. Zu ihren erfreulichen Erinnerungen gehörte dabei ich.

Nachdem nun der kaputte Körper sozusagen weggeworfen war, lebte sie nach dem Maßstab der obigen Grafik mit einem neuen, genau auf ihre Erinnerungen abgestimmten gesunden Organismus weiter, wie jeder menschliche Zeitgenosse auch. Gekennzeichnet waren die Erinnerungen an mich zweifellos durch die täglichen Streifzüge in Wald und Wiesen, die meist mehr als eine Stunde gedauert hatten. Wie lange diese Erinnerungen nach dem identischen Wechsel nicht durch neue Erlebnisse ergänzt wurden, wusste ich nachträglich natürlich nicht, denn ihr Universum brachte eine neue Kausalität mit sich. Wenn ich seitdem einen der alten Wege gehe, ist sie womöglich ebenfalls gerade dort oder in der Nähe mit mir unterwegs, nur begegnen können wir uns nicht.

Sobald dann einst auch ich einen identischen Wechsel mit Kausalitätsänderung hinter mich bringe, tritt sie mir irgendwann wieder lebendig in Erscheinung. Daher fielen mir nach ihrem Scheintod die Anfangszeilen der Ballade „Archibald Douglas“ ein, eines Werkes von Theodor Fontane. Kunst ist ja immer die Kunst, das Nachdenken anzuregen. Ich dichtete seine Worte um:
„Wo immer der Wald unser Leben war,
Ist er jetzt öde und leer.
Einsam ziehen die Wanderwege.
Doch hör ich im Rauschen des Blättermeers
Das All, wie es flüstert vom Fließen der Zeit
Und vom Wiedersehen der Wirklichkeit.“

Was nach der Grafik konkret Ewigkeit bedeutet, begründet PM(143): Unsere Zukunft wird sich ewig zwischen den Weltaltern T(26) und T(27) abspielen. Das sind, von heute aus gezählt, rund 29 Milliarden Jahre Spielraum! Endet ein Leben, nähert es sich nicht dem katastrophalen T(27), sondern setzt sich immer rechtzeitig zurück, nachdem es zum Sad-Ananda geworden ist, der ewigen Glückseligkeit in der Sprache der Alten Inder.
_________________

*) Das widerspricht nur scheinbar der Logik. In T/T=1 ist R/T=1 die Lichtgeschwindigkeit c. Mit der Vorstellung eines Zählers r<R=1 bei gleichbleibendem T-Wert im Nenner, entsteht die Vorstellung eines langsamer als c bewegten Punktes. Man muss beachten: Für die Größe der Gegenwart T allgemein ist die Wahl des Zeitnullpunkts selbstverständlich willkürlich. Aber die mit der Wahl des Zeitnullpunkts gebildete Gegenwartsbedingung T/T=1 erlaubt die willkürliche Nullpunktverschiebung nur für Zähler und(!) Nenner gleichermaßen, während die Verschiebung des Nullpunkts für T im Zähler oder(!) Nenner zur Vorstellung von v ungleich c einführt.
______________________

Die 1995 von Anton Franz Rüdiger Brück gegründete Platon-Akademie Rosenheim (PA) versteht sich als Ergänzung der antiken. Sie versucht, im naturwissenschaftlich widerspruchsfreien Konsens Antwort zu finden auf die von griechischen Philosophen geahnte Herkunft der Naturgesetze und nach der besten Gesellschaftsform (vgl. PM(239)). Vor allem ist sie als Internet-Akademie aktiv. Sie strebte bisher keinen juristischen Status an (Verein etc.). 


Original-Inhalt von Platon-Akademie und übermittelt von Platon-Akademie