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Zur PressemappeDer verzweifelte Protest der Jugend mit dem Titel „Letzte Generation“ ist eine Kritik am Anthropozentrismus*). Da es um ihre bittere Zukunft geht, sollte ihre Aktion ein gerechtes Verständnis finden. Die SZ schrieb: „Die Welt ringt ums Überleben“ (5.12.22, S.12) Und am 30.11.22, S.16: „Jetzt kommt es auf die Wirtschaft an“. So stellt sich die Frage: Schenkt die Tagung in Montreal endlich den Gesetzen der Biosphäre Priorität?
Man muss dabei genau unterscheiden. Der Titel „Krone der Schöpfung“ steht sehr wohl dem menschlichen Denkvermögen zu, dem Großhirn. Dieses besitzt aber nicht die Menschheit, sondern nur jeder einzelne Mensch, indem er Wahrheit und Irrtum rational zu trennen vermag. Die Menschheit als Ganzes, die aufgrund des Selbsterhaltungstriebes unkontrolliert wächst, hat kein Anrecht auf diesen Titel. Er wäre ihr nur dann angemessen, wenn sie bereits vor Einsetzen des blinden Wachstums eine ökologisch verträgliche Obergrenze (etwa bei 100 Millionen) eingehalten hätte - realistisch gesehen ein utopisches Modell. Jede aus der Tierwelt hervorgehende Menschheit, egal auf welchem Planeten, erkennt ja die Unverhandelbarkeit der ökologischen Gesetze erst, wenn die Katastrophe droht.
Das Problem des Einklangs zwischen einer quantitativ wuchernden Menschheit und der Biosphäre lässt sich nur bruchstückweise lösen. Wenn sich in Montreal die 200 Staaten - teilweise von verschiedenen Religionen bevormundet - erst einmal über die Gesetze der Biosphäre einig werden müssen, ist die Tagung total überfordert.
Wir können das Weltproblem, wenn wir so wollen, z.B. folgenermaßen gliedern.
I. Die Wirtschaft ist einer der zwei Motoren des exponentiellen, ökologiefernen quantitativen Wachstums der Menschheit. Der andere Motor ist der Selbsterhaltungstrieb.
II. Das Wachstum der Menschheit zwingt umgekehrt die Wirtschaft zum selben exponentiellen Wachstum. Einst war sie ja ökologisch harmlos.
III. Das Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft ließe sich bremsen, wenn die Zahl der Geburten drastisch verringert würde, was aber an der Uneinigkeit der Parteiprogramme scheitert und außerdem die Frist überschreitet, die uns bleibt.
IV. Die exponentielle Wachstumskurve ist dieselbe wie man sie bei Schädlingsepidemien beobachtet. Gelänge eine ökologisch verträgliche, konstante(!) Menschheit, müsste von solcher Peinlichkeit nicht mehr die Rede sein.
V. Der einzelne Mensch gehört, wie auch ein einzelner Maikäfer, nicht zur Epidemie, auch nicht falls er in seinem Denkprozess irrtümlich eine Zeit lang das Wachstum lobt.
Die Bewegung „Letzte Generation“ beinhaltet die zweite kopernikanische Wende, die in PM 268 erwähnt ist. War die erste Wende vor 500 Jahren schon für die Politik peinlich genug - damals für die Kirche - so ist die jetzige, zweite, noch skandalöser: Die erste Wende war eine astronomische, die jetzige ist eine biologische.
Interessant, dass schon in den Vierzigerjahren der Film „Das Dschungelbuch“ (mit Sabu) treffend voraussagte, was eine über ökologische Gesetze nicht informierte Wirtschaft in der Natur anrichtet: Im Streit um einen Goldschatz, und aus Nichtverstehen der Tierwelt, brennen Siedler den ganzen Urwald nieder. In diesem Film kehrt nur der eine, der die nicht verhandelbaren Gesetze der Natur von Kind auf kennengelernt hat, in die Natur zurück. Seine letzten Worte an die Siedler: „Ich gehöre zum Dschungel.“
Allein unausgesprochenes Wissen um die Zusammenhänge könnte in Montreal die Ratlosigkeit überwinden helfen. Denn gebildete Politiker entschließen sich zu kluger Abstimmung auch dann, wenn sie stillschweigend handeln statt laut davon zu reden.
Schlussbemerkung: Das Sprichwort sagt „Wer nicht hören will, muss fühlen“. Der Anthropozentrismus kann uns und alle Arten in die Triaszeit zurückstürzen, wenn nicht gar ins Perm. Ein Wunder wäre es, wenn Montreal zeigen würde, dass man über die Vierzigerjahre hinausgekommen ist.
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*) Vom Begriff „Anthropozän“ hört man kaum noch, weil er die Alternative „Anthropozentrismus oder Ökologie“ bis heute nicht bewältigt.